Von Anne-Kathrin Gerlieb
Die Welt der Wissenschaft ist reich an faszinierenden Entdeckungen, bahnbrechenden Forschungen und brillanten Köpfen. Allerdings sind diejenigen, die über ihre Forschung sprechen und als Expert*innen eingeladen werden, oft männlich und weiß. Wissenschaftlerinnen scheinen bisher im Schatten zu stehen. Im Rahmen unserer Interviewstudie haben wir Wissenschaftlerinnen nach ihren Erfahrungen im Umgang mit Journalistinnen befragt. Unsere Ergebnisse werfen ein neues und überraschendes Licht auf die Dynamiken, Herausforderungen und Chancen dieser Interaktionen.
Die Bedeutung von Medienpräsenz
Die Präsenz in den Medien ist für Wissenschaftlerinnen von großer Bedeutung, um ihre Arbeit einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Unsere Medienpräsenzstudie zeigt jedoch, dass der Weg zur Sichtbarkeit noch zu oft versperrt ist. Einige Wissenschaftlerinnen berichten von positiven Erfahrungen, in denen Journalistinnen ihre Arbeit sorgfältig und präzise vermittelt haben, tolle Kooperationen entstanden sind und diese ersten Sichtbarkeitsaktivitäten zu weiteren Anfragen geführt haben. Andere fühlten sich hingegen missverstanden, sahen ihre Forschung in falschen Kontexten oder es kam schlicht zu keiner Darstellung.
Kommunikationsbarrieren überwinden
Die Interviews verdeutlichen, dass eine effektive Kommunikation zwischen Wissenschaftlerinnen und Journalist*innen entscheidend ist. Es ist wichtig, Missverständnisse zu vermeiden und sicherzustellen, dass komplexe wissenschaftliche Konzepte für ein breiteres Publikum verständlich sind. Die befragten Wissenschaftlerinnen können ihre Thematik verständlich vermitteln. Allerdings wurde deutlich, dass Nachwuchswissenschaftlerinnen während der Promotion oder Post-Doc-Phase kaum Anfragen erreichen und damit trotz Willen und Fähigkeit zur Kommunikation sich einfach kaum Gelegenheit bietet. Die wenigen Anfragen erreichen meist Personen in der Leitungsebene, wie Professor*innen oder Institutsleiter*innen, die gerne selbst die Anfragen übernehmen oder gar nicht erst weiterreichen. Dazu kommt, dass Nachwuchswissenschaftler*innen seltener und schwerer auf den Hochschul-, Universitäts- und Forschungsinstitutsseiten zu finden sind.
Awareness stärken und Stereotype überwinden
Ein interessanter Aspekt der Studie ist die Betrachtung der Geschlechterdynamiken während der Interviews. Einige Wissenschaftlerinnen berichten von einer geschlechtsspezifischen Berichterstattung, in der sie vermehrt nach persönlichen Details wie Partnerschaft, Lebensstil oder nach typischer Kleidung befragt werden. Dies wirft wichtige Fragen nach Gleichberechtigung und Fairness in der Medienberichterstattung auf. So wurde beispielsweise eine Wissenschaftlerin in ein Labor positioniert für Aufnahmen, obwohl sie dort nicht arbeitete, oder eine Wissenschaftlerin, die sich mit der Darstellung von zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt, wurde nach ihren eigenen Vorlieben befragt. Diese Fragen und Darstellungen lassen sich nicht mit einer wirklichkeitsnahen und genderunabhängigen Darstellung vereinbaren.
Journalist*innen sollten Transfer leisten
Aus den Berichten und expliziten Wünschen der Wissenschaftlerinnen wird vor allem deutlich, dass weiter an der Beziehung zwischen Wissenschaftlerinnen und Journalistinnen gearbeitet werden sollte. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit könnten Schulungen, Richtlinien und ein verstärktes Bewusstsein für geschlechtsspezifische Dynamiken in der Medienberichterstattung beitragen. Die Nachwuchswissenschaftlerinnen wünschen sich vor allem Medienschulungen durch (Wissenschafts-)Journalist*innen, wobei es weniger um das „Wie“ der Kommunikation gehen soll, sondern um die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten. Gerade den Nachwuchswissenschaftlerinnen scheinen die Freigabe- und Korrekturprozesse unklar zu sein. Außerdem wünschen sie sich Kontakt zu Ansprechpartner*innen, um proaktiv mit ihren Forschungsergebnissen in die Kommunikation gehen zu können.
Die Förderung einer offenen und transparenten Kommunikation zwischen beiden Gruppen könnte dazu beitragen, die Herausforderungen zu überwinden und die Stimmen von Wissenschaftlerinnen auf der großen Bühne besser hervorzuheben.
Wie geht es weiter?
Die Interviewstudie zur Erfahrung von Wissenschaftlerinnen mit Journalistinnen bietet erste neue Einblicke in die komplexe Welt der Wissenschaftskommunikation. Die Erkenntnisse aus der Studie sollten als Anstoß für weiterführende empirische Befragungen in der deutschen Forschungslandschaft dienen, um die Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Gruppen zu verbessern und eine ausgewogenere Darstellung der Wissenschaft in den Medien zu gewährleisten.
Habt ihr Fragen zu unserer Interviewstudie? Schreibt sie uns in die Kommentare.